Ein Mensch ist erst vergessen,
wenn sein Name vergessen ist
Leitmotiv
des Stolperstein-Initiators
Gunter Demnig

Frieda Pogoda
(geb. Kempin)

* 18831941

Flutstr. 6, Stade

Hier wohnte
Frieda Pogoda
Geb. Kempin
Jg. 1883
Seit 1918 mehrmals
eingewiesen
Heilanstalt Lüneburg
'verlegt' 16.6.1941
Hadamar
ermordet 16.6.1941
'Aktion T4'

Biografische Informationen

Frieda Ottilie Ferdinanda Kempin wurde am 24. August 1883 in Stade geboren.[1][2]

Stolperstein-Verlegung am 28.06.2020 zum Gedenken an Frieda Pogoda vor dem ehemeligen Wohnhaus in der Flutstr. 6

Sie war das vierte von insgesamt sieben Kindern des Ehepaares Friedrich Wilhelm Max Kempin und Mathilde Luise Friederike Haak.
Friedas Vater, Friedrich Kempin, eröffnete am 28. Februar 1884 in der Flutstraße in Stade eine Glaserei, die in den folgenden Jahrzehnten durch die Söhne bzw. Enkel weitergeführt wurde.

Am 2.April 1907 heiratete Frieda Kempin den Schneidermeister Eugen Pogoda, der ebenfalls in der Flutstraße in Stade ein Herren- und Damenmoden-Geschäft betrieb. Frieda und Eugen hatten sich vermutlich über ihre Nachbarschaft kennengelernt, sie lebten nach der Heirat gemeinsam in der Flutstraße 6.
Eine enge familiäre Bindung zum Elternhaus blieb offenbar bestehen: spätere Krankenakten von Frieda Pogoda weisen den "Glasermeister Kempin in Stade" noch als Kontaktadresse aus.

Frieda Pogoda war zu ihrer Hochzeit bereits im vierten Monat schwanger - das erste gemeinsame Kind, Franz August Friedrich, wurde am 8. November 1907 geboren. Es folgten drei weitere Kinder: Gertrud Mathilde Luise (geboren 1911), Benno Hermann Josef (geboren 1913) und Walter Josef (geboren 1917). Tochter Getrud verstarb bereits vier Monate nach ihrer Geburt, vermutlich im Kindbett.

Am 31. Juli 1918 wurde Frieda Pogoda zum ersten Mal in der "Provinzial" Heil-und Pflegeanstalt Lüneburg aufgenommen. Zu diesem Zeitpunkt waren ihre drei Söhne elf und fünf Jahre sowie zehn Monate alt. Möglicherweise bestand ein Zusammenhang zwischen Friedas Erkrankung und der Geburt ihres letzen Sohnes: bevor Frieda stationär aufgenommen wurde, hatte sie drei Monate lang unter Unruhe und Erregbarkeit gelitten, da war ihr Säugling erst sechs Monate alt.
Zudem mögen Anzeichen depressiver Stimmung und geistiger Verwirrtheit zu ihrer Einlieferung in die Heilanstalt geführt haben.
Während des Aufenthaltes in Lüneburg schien sie sich wieder schnell zu beruhigen und konnte fünf Monate später, am 20. Dezember 1918, wieder "gebessert entlassen" werden.

Vier Monate später, am 25. April 1919, wurde Frieda ein zweites Mal aufgenommen. Diesmal blieb sie zehn Monate Patientin in der Lüneburger Anstalt. Sie wurde am 3. Februar 1920 "geheilt entlassen". Während ihres Aufenthaltes soll sie auch durch rege Teilnahme an der Arbeitstherapie ihre "ängstliche Erregung" überwunden haben.

Offenbar hatte sich Frieda Pogoda nach ihrer zweiten Entlassung weitgehend stabilisiert und blieb vierzehn aufeinanderfolgende Jahre gesund. Zwischenzeitlich erkrankte jedoch ihr Ehemann Eugen so schwer an "progressiver Paralyse" (fortschreitende Lähmung), dass auch er am 27. März 1927 in die Lüneburger Heil- und Pflegeanstalt aufgenommen werden musste. Er starb ein Jahr später im Alter von 51 Jahren am 6. Juni 1928 in Lüneburg. Wodurch seine Krankheit ausgelöst worden war, bleibt aufgrund der wenigen Informationen, die auf dem Charakteristik-Bogen in der Krankenakte seiner Ehefrau verzeichnet wurden, ungeklärt.

Die dritte und letzte Aufnahme von Frieda Pogoda in Lüneburg erfolgte am 10. Februar 1934, nachdem sie zunächst in das Krankenhaus Stade eingewiesen worden war. Sie soll nachts aus dem Fenster gestiegen und auf dem Stader Friedhof umhergewandelt sein. Auch habe sie tagsüber mit Kleidern im Bett gelegen und auf ihre Umgebung geschimpft. Im Stader Krankenhaus blieb sie nur acht Tage und wurde von dort in Begleitung einer Krankenschwester nach Lüneburg gebracht. In Lüneburg wurde die Diagnose "Dementia praecox" (vorzeitige Demenz) bzw. "Schizophrenie" bestätigt. Im Laufe ihres Aufenthaltes wurde sie "erbbiologisch erfasst", eine "Sippentafel" angelegt und ihre Diagnose um die zuvor bei Ihrem Ehemann festgestellte "progressive Paralyse" erweitert. Inwiefern diese Diagnose gerechtfertigt war, lässt sich anhand der Lüneburger Akten nicht rekonstruieren.

Aktion T4

Während der sogenannten „Aktion T4” wurden 1940 bis 1941 über 70.000 Anstaltspatienten in sechs zentralen Tötungsanstalten in Deutschland umgebracht. Mindestens 2.000 dieser Patienten kamen aus niedersächsischen Anstalten.
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Von diesem letzten Aufenthalt in Lüneburg sollte Frieda Pogoda nicht mehr nach Stade zurückkehren.

Am 30. April 1941 wurde Frieda Pogoda nach Herborn verlegt. Von dort aus wurde sie am 16. Juni 1941 mit 120 weiteren Patientinnen nach Hadamar gebracht. Die Patienten eines solchen Transports wurden in der Regel bereits am Tag der Ankunft in die im Keller der Anstalt befindliche Gaskammer geschickt und ermordet.

Frieda Pogoda verstarb am 16. Juni 1941.

Von offizieller Seite wurden Todesursache und Todesdatum (27.06.1941) falsch angegeben, um Angehörige und Behörden zu täuschen[3].

Friedas erstgeborener Sohn Franz betrieb noch über viele Jahre die väterliche Schneiderei in Stade. Er starb am 11. November 1969. Das ehemalige Wohn- und Geschäftshaus in der Flutstraße 6 wurde später abgerissen und an gleicher Stelle ein Mehrfamilienhaus errichtet.

  • [1] Quelle: Stadtarchiv Stade
  • [2] Biografische Informationen entnommen aus: Gedenkstätte Lüneburg, Eintrag zu Frieda Pogoda (mit weiteren Nachweisen); zur Verfügung gestellt von Michael Quelle, Stade
  • [3] Quelle: Gedenkstätte Hadamar; übermittelt durch Stadtarchiv Stade

Der Stolperstein für Frieda Pogoda, geb. Kempin

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