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Jüdischer Viehhandel

Von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis 1937 ein traditionelles Berufs- und Tätigkeitsfeld der Juden in der Region Stade
Zu den wenigen Berufen, die Juden in Deutschland ausüben durften, gehörte der Viehhandel. Insbesondere wegen ihrer Fachkenntnis waren die jüdischen Viehhändler sehr geschätzt und erfolgreich. 1937 wurde den Juden diese Art des Gewerbes wieder verboten.

Der Viehhandel war aus mehreren Gründen in manchen Gegenden eine Domäne der Juden[1]:

  • Juden hatten aufgrund ihrer strengen rituellen Schlachtvorschriften Spezialkenntnisse bei der Qualitätsprüfung und Begutachtung des Viehs erworben
  • aufgrund ihrer traditionellen und familiären Beziehungen überblickten sie den überrgionalen Handelsverkehr für Schlacht- und Nutztiere und sie kannten den jeweiligen Viehbestand der Gegend
  • jüdische Viehhändler ließen sich auch auf Tauschgeschäfte (z.B. Schlacht- gegen Zuchtvieh) ein
  • sie gewährten den Bauern auch ein ums andere Mal Kredit
  • jüdische Händler zahlten in der Regel bar auf die Hand - ein Umstand, der bei den Geschäftspartnern sicherlich als der größte Vorzug galt

 

Seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts ließen sich jüdische Schlachter und Viehhändler in insbesondere im Land Kehdingen nieder. In der Folge lebten und arbeiteten ab Mitte des 19. Jahrhunderts an den meisten größeren Orten Kehdingens jüdische Schlachter. Diese erste "Blütezeit" währte jedoch nur bis in die 1870er Jahre und erlebte erst nach der Jahrhundertwende einen neuen Aufschwung[2].

Stade blieb bis zum Verbot durch die Nationalsozialisten ein Zentrum des Viehhandels.
Albert Davids beschäftigte bald seinen Sohn Otto im eigenen Geschäft. Er handelte vorwiegend mit Milchkühen, die er in Kehdingen aufkaufte und nach Süddeutschland lieferte. 
Fritz de Jonge kaufte in Dänemark Fohlen und "schwere Belgier" und verkaufte sie als Zugpferde weiter.
1933 zog mit Joseph Nathan ein dritter Viehhändler nach Stade.

Die jüdischen Viehhändler waren geschätzte Handelspartner und ihre guten Beziehungen zu den örtlichen Bauern gingen teilweise über das rein Geschäftliche hinaus. Bisweilen bestanden freundschaftliche Verbindungen: in einem Interview, das der Historiker Hartmut Lohmann 1988 mit einem Stader Landwirt führte,  berichtete dieser von einer regelmäßigen Skatrunde, an der neben dem örtlichen Milchkontrolleur auch Fritz de Jonge teilgenommen habe[3].  

Die Nationalsozialisten versuchten bereits früh, die  traditionell guten Geschäftsbeziehungen zwischen den örtlichen Landwirten und den jüdischen Viehhändlern zu stören. Zunächst mit verbalen antisemitischen "Aufklärungsaktionen", später auch durch Amtsenthebungen und Geldstrafen, sollte der Landhandel gänzlich unterbunden werden. Dennoch hielten die Bauern, darunter auch NS-Funktionäre und NSDAP-Mitglieder, an ihren Viehhändlern fest.

Durch eine Verordnung vom 25. Januar 1937 wurde den Juden der Handel mit Vieh verboten. 

 

Eng mit dem Land- und Viehhandel war auch das kleine jüdische Bankhaus Friedlaender und Wertheim verknüpft, das seinen Kundenkreis vorwiegend in Kehdingen hatte (vgl. den Eintrag zu Moritz Wertheim).

 

  • [1] Hartmut Lohmann: Der Landkreis Stade in der Zeit des Nationalsozialismus, Stade, 1991; Abschnitt 4: "Das Schicksal der Juden im Landkreis Stade" - Informationen zu den Besonderheiten des jüdischen Viehhandels vgl. S. 296ff.
  • [2] Zur Geschichte des jüdischen Viehhandels in der Region Stade vgl: Jürgen Bohmbach: "Sie lebten mt uns. Juden im Landkreis Stade vom 18. bis zum 20. Jahrhundert, Stade, 2001; S.11f.
  • [3] Hartmut Lohmann: Der Landkreis Stade in der Zeit des Nationalsozialismus, Stade, 1991, S.298

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